Sind Haferflocken für Hühner schädlich?

Sind Haferflocken für Hühner schädlich?

Lesedauer ca. 8 Minuten

Hafer ist schädlich für Hühner?!

Immer mal wieder lese ich etwas über die Hühnerhaltung was mich stutzig macht.
Pünktlich zum Winteranfang war es ein kritischer Artikel von Kathy Shea Mormino mit dem reißerischen Titel „Der schockierende Effekt eines Haferfrühstücks auf Hühner“.

Kathy betreibt einen sehr informativen und oft auch kritischen Blog zum Thema backyard chicken keeping (also sowas wie Hinterhof-Hühnerhaltung 🙂 ). Sie spricht für Ihre Artikel auch direkt mit Profis wie Tierärzten oder Futtermittelexperten und liefert für ihre Beiträge detaillierte Quellen. Manche ihrer Ansichten sind mir zu radikal, aber auch wenn ich auf bestimmte Dinge nicht verzichten werde, ist es hilfreich zu wissen, wo genau die Gefahren oder Probleme liegen könnten. So auch bei Haferflocken (wer hätte das gedacht?!)

Eine reine Haferflocken Mahlzeit tötet Deine Hühner

So in etwa die Quintessenz Ihres Artikels. Ganz schön krass…oder?
Ich füttere zwar selten Haferflocken, aber gerade bei der Kükenaufzucht sind Haferflocken immer mit dabei. Und eigentlich habe ich gedacht, dass ich meinen Hühnern damit besonders im Winter etwas richtig Gutes tue. Ein Blick in die Foren der Hobbyhühnerhaltung zeigt: damit stehe ich nicht alleine da. Können soviele Hühnerhalter ihre Hühner so falsch füttern?

Damit Du Dir für Dich (und Deine Hühner) eine Meinung bilden kannst, habe ich Ihren Artikel hier in etwas gekürzter Version auf deutsch übersetzt. Wenn Du den Originalartikel noch nachlesen willst, findest du ihn hier

Haferflocken sind für Hühner nicht nahrhaft genug

Haferflocken (oder besser: ein warmer Haferbrei, mit viel Wasser schön sämig gekocht) ist für uns ein gesundes Frühstück, ganz klar.
Die Verdauung von Hühnern unterscheidet sich aber von der des Menschen und im Fall von Hafer (wie auch anderen „Cerealien“ wie Gerste, Roggen und sogar Weizen) sind ausgerechnet die Stoffe (Beta-Glucan), die für uns so gesund sind, für Hühner schädlich.

Kathy Shea Mormino hat für Ihre Analyse des Nährwerts von Haferflocken für Hühner einen Geflügelernährungsspezialisten befragt. Dr. Patrick Biggs von Purina Animal Nutrition sollte die Problematik einer Hafermahlzeit für Hühner erklären.

Du meinst, das riecht nach versteckter Werbung für Marken-Fertigfutter? Ich kann Dich beruhigen: der Nährwertvergleich lässt sich auf jedes sorgfältig zusammengestellte Futter für Legehennen abbilden. Nimm die Info und ignoriere, dass da Layena® steht (gibt’s bei uns vermutlich eh nicht zu kaufen).

Der Nährstoffbedarf von Legehennen

Eine Legehenne benötigt täglich ca. 38 unterschiedliche Nährstoffe. Ein komplettes Futter enthält also mehrere Körner und andere Komponenten, die sorgfältig gemischt werden, um das richtige Gleichgewicht dieser Nährstoffe in ihren jeweils präzisen Mengen zu erreichen. Hafer/Haferflocken sind in dieser Hinsicht keine vollständige, ausgewogene Nährstoffquelle – keine der Einzelkomponenten (für sich gesehen) einer Futtermischung ist das.

Das zusätzliche Hinzufügen von Hafer zum regulären Legemehl verdünnt logischerweise die komplette Nährstoffbilanz. Eine derart gestreckte Ernährung ist für Legehennen nicht optimal, aber das gilt für jedes Abweichen/Verschieben der Nährstoffzusammensetzung von gut entwickeltem Legemehl/Legekorn.
Soll heißen: Egal welchen Anteil Du aus Deiner Futtermischung erhöhst – Du verschlechterst das optimale Nährstoffangebot der Mischung.

Warum Du Deinen Hennen – besonders Legerassen – nicht einfach irgendwas zu fressen geben darfst kannst Du im Beitrag „Mein Bestes Futter für Legehennen“ nachlesen.

Hühner artgerecht füttern

Hühner sind von Natur aus keine „Mahlzeit-Esser“. Sie picken den ganzen Tag vor sich hin und sichern sich so, gerade im Winter, die kontinuierliche Brennstoffzufuhr, die sie benötigen. Bei kaltem Wetter kann man von einer Henne erwarten, dass sie etwa 130g Futter frisst. Nehmen wir an, sie frisst am Morgen 60g Futter. Wenn diese 60g aus einer warmen Haferbrei-Mahlzeit bestehen, würde sie aus dem Hafer nur 3,6 g Protein im Vergleich zu 9,07g Protein aus einem „kompletten“ Futter bekommen (unter der Annahme einer Mischung aus 50% Hafer, 50% Wasser. Aber je höher der Wasseranteil, desto niedriger natürlich das Protein.)

Kathy hat in ihrem Beitrag eine Übersicht, die den Unterschied im Nährstoffgehalt zwischen Layena® Legemehl und einer reinen Hafermahlzeit aufzeigt (je 2 ounces, das sind knappe 60g). Alle Nährstoffe sind in der Hafermahlzeit, im Vergleich zu einer Ration dieses Legemehls/-korns niedriger.
Besonders stark fällt der Unterschied im Gehalt von Kalzium und Phosphor auf. Die B-Vitamine sind beim Hafermehl niedriger und die Vitamine A, D und E sind fast nicht existent. Eine regelmässige Fütterung mit hauptsächlich Hafer wirkt sich negtiv auf die Eierproduktion und Knochenstärke bei Hühnern aus. Da 60g so einer Hafermahlzeit (wie oben angenommen) schon 40% der Tagesration ausmachen, würde eine Legehenne ihren Tag ernährungsphysiologisch im Minus beginnen. Besonders im Winter oder auch z.B. in der Mauser ist das kritisch.

Kathy führt in ihrem Artikel ein Interview mit Dr. Biggs in dem sie u.a. diese Frage stellt:

Wärmt ein warmes Frühstück (sie bezieht sich auf einen warmen Haferbrei/Haferschleim) ein Huhn bei kaltem Wetter?

Dr. Biggs: Nein. Die Körpertemperatur eines Huhns ist etwa 10 Grad wärmer als die des Menschen. Zusätzlich hat es einen Mantel aus Federn zur Isolierung, der etwa 22 Mal mehr Isolierung bietet als Haut und Muskeln bei gleicher Dicke. Bei kaltem Wetter halten Sie Hühner gesund und „komfortabel“, indem Sie ihnen einen trockenen, zugfreien Stall mit Zugang zu einem nährstofftechnisch ausbalancierten Futter und sauberem Trinkwasser bieten. Hühner mit einem trockenen, wind- und zugfreien Unterschlupf zu versorgen, ist der beste Weg, um Ihre Hühner vor Erfrierungen zu schützen.
Um den Winter zu überleben sind Hühner auf eine ernährungsphysiologisch vollständige Fütterung angewiesen. Wenn sie zum Frühstück nur Haferflocken bekommen, ist ihre Ernährung „verdünnt“ und sie sind nicht mehr in der Lage, die essentiellen Nährstoffe in ihrem Hühnerfutter aufzunehmen (dazu weiter unten Genaueres).

Merke: Mit einem warmen Haferbrei (als besonderes Leckerli für kalte Wintertage) erweist Du Deinen Hühnern also einen echten Bärendienst.

Der Anti-Ernährungsfaktor: Beta-Glucan

Hafer (sowohl gekocht als auch roh) enthält einen, für Hühner, anti-nutritiven Faktor: Beta-Glucan.
Beta-Glucan verbindet sich mit Wasser im Darm zu einer dicken, gel-artigen Masse, die den Inhalt des Darms übermässig verdickt (im Englischen bekannt als „Digesta“). Dieser Zustand wiederum hindert Hühner daran ihre Nahrung richtig zu verdauen und die Nährstoffe im Hafer und in allem anderen, was sie fressen, aufzunehmen.

Diese schlechte Aufnahme verursacht dann einen dicken, klebrigen Kot, der andere Gesundheitsgefahren birgt: er erhöht z.B. den Feuchtigkeitsgehalt der Einstreu, was wiederum Risiken für die Gesundheit der Atemwege oder die Gesundheit der Fußballen nach sich zieht und das Wachstum von Krankheitserregern fördert.

Dieser übermässig „eingedickte“ Darm wurde auch als Ursache für nekrotische Enteritis belegt (Siehe Fotos hier und hier). Eine bakteriell bedingte Krankheit, die die Darmwand des Huhns zerstört. Selbst in relativ kleinen Mengen hat Beta-Glucan also bereits negative Auswirkungen auf die Gesundheit Deiner Hühner. Im Besten Fall führt es nur zu einer geringfügigen Reduzierung der Legetätigkeit, im schlimmsten Fall zum Tod.

Fazit

Haferflocken sind, wie jedes andere Getreide, als Alleinfuttermittel nicht geeignet. Das Futter für Legehennen muss alle relevanten Nährstoffe enthalten und: das Huhn muss sie auch verwerten können!

So geht Dein perfekter Hühnergarten!

Egal ob Du am Anfang Deines Hühnertraums stehst oder schon Hühner hast:
Dein Hobby soll Dir Freude bereiten - nicht Frust. Ich zeige Dir, wie Du mit ein paar einfachen Grundregeln zu Deinem eigenen Stück Selbstversorgung kommst: ein kunterbunter Garten mit glücklichen Hühnern, vielen Eiern und wenig Arbeit.

Hafer, oder auch Gerste und Roggen sind durchaus Teil von Futtermischungen für Legehennen. Diesen fertigen Mischungen werden aber bestimmte Enzyme beigemischt (NSP-Enzyme (Nicht-Stärke-Polysaccharide-Enzyme) wie Beta-Glucanase), die die problematischen glykosidischen Bindungen spalten.
Ohne diese Enzyme können Deine Hennen nicht vom vollen Nährwert des Hafers profitieren und, wie in Kathy Shea Morminos Artikel klar wird, hindert ein Zuviel an Haferflocken Deine Hühner auch in der Aufnahme der Nährstoffe aus den restlichen Komponenten ihres Futters.

Aus einem Informationsblatt des Lfl Bayern zur Legehennenfütterung heißt es:

  • In der ökologischen Hühnerfütterung sind die Anteile an NSP-haltigem Getreide (Gerste, Hafer, Triticale) begrenzt, da keine NSP-spaltenden Enzyme eingesetzt werden dürfen.
  • NSP-Enzyme (Nicht-Stärke-Polysaccharide-Enzyme) vermögen es, schwer verdauliche Kohlenhydrate aufschließen und erbringen dadurch auf verschiedene Weise positive Effekte auf die Ernährungsphysiologie. Beim Einsatz von Komponenten mit hohem Gehaltan NSP (z.B. Gerste, Hafer, Roggen, Triticale) sollte nicht auf den Einsatz entsprechender Enzyme verzichtet werden.
  • Getreide enthält ca. 10–17 % für Legehennen unverdauliche NSP, Restkohlenhydrate und Zellwandbestandteile. Durch den Einsatz von NSP-Enzymen im Futter kann die Nährstoffverfügbarkeit deutlich erhöht und die Stickstoffausscheidungen reduziert werden. Weitere positive Effekte sind die Veränderung der Zusammensetzung der Darmflora und der Abbau antinutritiver Substanzen.
    Laut einer Futterkomponentenempfehlung sollte Hafer nur max. 20 % ausmachen. Ich werde Haferflocken also weiterhin als gelegentliches Leckerli verfüttern – nachdem meine Hühner bereits ihr Legemehl gefressen haben und als Teil ihrer täglichen Körner-Nasch-Ration. Bei der Kükenaufzucht werde ich darauf achten, dass der Anteil an Haferflocken bei maximal 20% liegt und auf eine buntere Mischung an gekeimtem Getreide/Sämereien zurückgreifen. Als einen reichhaltigen Start in einen kalten Wintertag wird es Haferflocken aber auf keinen Fall geben!

…Hühner Leckerlies – stimmt die Balance noch?

Hühner verwöhnen macht aber einfach Spaß – stimmts?
Morgens die Reste vom Frühstücksbrot, am Nachmittag die gekochten Kartoffeln vom Mittagessen und im heißen Sommer Gurken satt?

Wieviel ist „zuviel“ und welchen Nährstoff drehst Du mit Deinen kleinen Extras evt. gefährlich runter (oder rauf?)

Die Frage hat mich auch schon oft umgetrieben und weil ich immer wieder die gleichen Nährwerttabellen gewälzt habe, hab ich beschlossen die wichtigsten davon in meine Futtermischer-App zu packen:

futtermischer

Klick rein, klick rum und stell Dein Futterprogramm mal auf den Prüfstand – dann verwöhnst Du gleich mit einem viiiiel besseren Gewissen.

Weitere Quellen und Links zu Informationen

  • http://www.transgen.de/datenbank/enzyme/2002.glucanase.htmlhttp://neospark.com/images/nsp.pdf
  • http://www.schaumann-stiftung.de/cps/schaumann-stiftung/ds_doc/3_1_lf_simon.pdf
    Lösliche ß-Glucane und Pentosane können bei jungem Geflügel zu Viskositätserhöhung im Verdauungstrakt, Beeinträchtigungen der Nährstoffresorption, Leistungsminderungen und klebrigen Extrementen führen
Was ist Beta-Glucan
  • (Warum es für uns Menschen wertvoll ist) https://www.vitalstoffmedizin.com/sekundaere-pflanzenstoffe/beta-glucan.html
  • https://fet-ev.eu/beta-glucane/:
    Beta-Glucane besitzen ein sehr hohes Quellvermögen und können große Mengen Wasser binden. Durch das Aufquellen der unverdaulichen Nahrungsfasern wird das Mahlzeitenvolumen erhöht, wodurch es zu einer stärkeren Magenwanddehnung und einer verzögerten Magenentleerung kommt. Dies wirkt sich zum einen positiv auf das Sättigungsgefühl aus und führt zum anderen dazu, dass die im Nahrungsbrei enthaltenen Nährstoffe – insbesondere die aus der Spaltung resultierende Glukose – langsamer resorbiert werden.
  • https://www.vdd.de/fileadmin/downloads/Kongress_2012/Abstracts/Beta-Glucan_VDD_2012_Kurzfassung_Wunderlich.pdf
    Hafer-Beta-Glucan bildet im Magen und Dünndarm eine zähflüssige Konsistenz, die eine verlangsamte Resorption der Nährstoffe aus der gelartigen
    Masse zur Folge hat.
  • http://www.lohmann-information.com/content/l_i_3_00_artikel4.pdf
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